Jedes Jahr findet im Wunderland eine Versammlung der Königinnen und Könige der vier Reiche statt. In diesem Jahr richtet die Herzkönigin Hera von Herz das Ereignis aus, doch wie es für eine Königin üblich ist, wird diese Aufgabe natürlich delegiert. Die Aufgabe übernehmen muss Meister Lampe aka das weiße Kaninchen. Allerdings dürfte diese Aufgabe nicht so einfach sein, wie sie zunächst klingt. Ich habe mein Kaninchen-Kostüm geschnappt, bin in die Pfoten des Langohrs gehüpft und habe „Wonderland Nights White Rabbit’s Diary“ ausgiebig getestet. Warum ich ein wenig frustriert, aber auf der anderen Seite auch total begeistert von dem Spiel bin, erfahrt ihr hier in meiner Review.
„Wonderland Nights White Rabbit’s Diary“ ist ab heute für die PlayStation 4, PlayStation 5, Microsoft Xbox One, Xbox Series X/S und Nintendo Switch verfügbar. Die Visual Novel basiert dabei auf der Grundstory von „Alice im Wunderland“ und einige der beliebten Charaktere aus dem Buch von Lewis Caroll bzw. aus den zahlreichen Filmen kommen auch darin vor. Doch dreht sich die Story diesmal nicht um Alice und ihre Abenteuer, sondern um den stressigen Job des weißen Kaninchens, das leider immer befürchten muss, dass ein „Kopf ab“ das letzte ist, was er zu hören bekommt.
Staatsbankett mit Schwierigkeiten
Wie immer ist das weiße Kaninchen zu spät und die Herzkönigin „not amused“, denn das Kaninchen soll das jährliche Staatsbankett ausrichten und zu einem vollen Erfolg führen. Doch so einfach ist das nicht, denn die vier Reiche Herz, Piek, Kreuz und Karo entscheiden auf diesem Wunderland-Gipfel über eine gemeinsame Politik, die von einfachen Dingen wie Magie bis hin zu Kriegserklärungen reichen kann – insgesamt also ein heikles politisches Pflaster, auf dem sich das Kaninchen da bewegen muss.
Als Spieler übernimmt man die Rolle des Kaninchens, das den Zeitplan des Treffens koordinieren muss. Jede Entscheidung, die man in den zahlreichen Dialogen trifft, wirkt sich auf das Schicksal des gesamten Wunderlands aus. So müsst ihr persönliche Rachefeldzüge durchkreuzen, Intrigen aufdecken, versteckte Zauber entdecken, weise Entscheidungen treffen und naja, dann gibt es da noch die Bedrohung durch einen gefürchteten Eindringling, der bereits für den Tod der alten Herzkönigin verantwortlich gewesen ist.
Jede Menge Dialog und ein Haufen Möglichkeiten
Grundsätzlich schon mal vorab gesagt: „Wonderland Nights White Rabbit’s Diary“ hat sehr viel Text und auch wenn das Spiel voll vertont wurde, ums Lesen wird man leider nicht ganz drumherum kommen, da die Vertonung nur auf Englisch ist. Doch machen die Dialoge eine große Faszination des Spiels aus, denn zusammen mit der Grafik fühlt man sich, als ob man im Theater sitzt, einem guten Stück zuschaut und sogar aktiv am Geschehen mitarbeiten darf.
Damit man bei den vielen Dialogen, den zahlreichen Intrigen und politischen Winkelzügen durchsteigt, hat die Grinsekatze für das Kaninchen einen Kodex erstellt, mit dessen Hilfe man die Aktivitäten, die politische Einstellung und Beziehung der Teilnehmer notieren kann. Diese Notizen bzw. der Kodex an sich sind das Wichtigste im Spiel, damit man die passende Entscheidung treffen kann und nicht im Fährwasser der Intrigen unterzugehen droht. Ihr solltet den Kodex wie einen Freund behandeln, denn wenn ihr es nicht tut, dann passiert euch wahrscheinlich das ein oder andere Missgeschick wie mir – ich habe im ersten Durchgang des Spiels einfach aus meinem Bauch heraus entschieden und damit das Wunderland in einen Kriegsschauplatz verwandelt.
Entscheidung ist das A und O
Das eigentliche Gameplay ist eine Art Detektivspiel. So müsst ihr anhand eurer Notizen, die im Kodex eingetragen wurden, Entscheidungen fällen. Es gilt z.B. die passenden Pärchen für das Krocket-Turnier zusammenzustellen. Hier muss dann bedacht werden, dass bestimmte Personen nicht miteinander harmonieren und wenn man diese dann zusammenbringt und zwingen will, im Team zu arbeiten, das ordentlich nach hinten losgehen kann.
Wer sich mit dem etwas schwierigeren Kodex nicht auseinandersetzen möchte, kann auch auf das „vereinfachte Menü“ zugreifen, jedoch geht hier ein Großteil des eigentlichen Sinns und Spaßes des Spiels verloren. Deswegen kann ich euch nur empfehlen, das aufwendigere Menü zu nutzen, da ihr den Kodex zum Beispiel auch im vereinfachten Menü nutzen müsst, um die passende Entscheidung treffen zu können. Das erweiterte Menü ist auch grafisch viel hübscher gestaltet und passt eher ins Spiel als die vereinfachte Version.
Durch die zahlreichen Aktivitäten werden auch die Kodex-Seiten gefüllt, sodass ihr bessere Entscheidungen treffen und dadurch auch andere Ergebnisse erzielen könnt. Das macht auch einen hohen Wiederspielwert des Spiels aus. Denn habt ihr danebengelegen und wie ich einen Krieg angezettelt, dann könnt ihr das in der nächsten Runde vermeiden.
Grafisch ein Hammer
„Wonderland Nights White Rabbit’s Diary“ macht dem Namen Visual Novel absolut Ehre, denn grafisch ist das Spiel ein Augenschmaus. Die Entwickler haben hier sehr gut auf die Wirkung von Farben und damit verbundenen Emotionen geachtet. So ist zum Beispiel die Herzkönigin mit ihrem Rot gut getroffen. Denn Rot ist sehr aggressiv und eine Signalfarbe und, wie es nicht anders zu erwarten war, ist Königin Hera von Herz herrschsüchtig, streitlustig und die Farbe Rot steht ihr ausgezeichnet. Generell sind die Figuren, allen voran die Grinsekatze, ihren Originalen aus den Filmen sehr gut nachempfunden und man kann sich direkt mit ihnen identifizieren.
Auch bekannte Orte aus Buch und Filmen sind im Spiel vorhanden, wie z.B. das Crocket-Feld, auf welchem die Herzkönigin im Disney-Film mit einem Flamingo-Schläger die Bälle Richtung Tor schlägt. Grundsätzlich fühlt sich Wunderland einfach rund und stimmig an, was ein riesiger Pluspunkt ist. Hinzu kommen märchenhafte Soundtracks und natürlich eine gelungene Vertonung auf Englisch, die im herrlichsten Oxford-Englisch eingesprochen wurde. Die Herzkönigin hört sich so an, wie man es von einer englischen Königin erwarten würde – einfach eine tolle Synchro.
Der Detektiv in mir ist erwacht!
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich vor „Wonderland Nights White Rabbit’s Diary“ mit Grafic Novel-Spielen nie in Berührung gekommen bin. Aber mein erstes Spiel in dieser Art hat mir gleich Lust auf mehr gemacht. Als großer Fan des verrückten Hutmachers und natürlich der Grinsekatze konnte ich mir ein Spiel im Alice-Universum nicht entgehen lassen. Hinzu kommt, dass ich ein Freund von Detektiv-Spielen und Games mit zahlreichen Entscheidungen bin. Gut, ich bin in meinem ersten Versuch ein wenig stümperhaft an die Sache herangegangen, aber mein zweiter Versuch war dann schon besser. Überzeugt hat mich auch, dass ich aktiv an der Story des Spiels mitarbeiten und diese durch meine Entscheidungen in die eine oder andere Richtung lenken kann. Auch die englische Synchro ist einfach toll, ich habe das Spiel aufgrund des Feelings auch direkt im zweiten Durchgang ganz auf Englisch gespielt, wobei die Dialoge auf Deutsch auch richtig gut gemacht sind. Das Spiel hat mich in seinen Bann ziehen können und ein dritter Durchgang ist schon fürs Wochenende geplant! Wenn ihr also Lust habt auf ein grafisch gelungenes Detektiv-Abenteuer voller politischer Intrigen im „Alice im Wunderland“-Setting, dann solltet ihr beherzt zugreifen, zumal das Spiel mit 6,99 Euro recht günstig ist. Der Umfang des Spiels und die Liebe, die die Entwickler in das Indie-Spiel einfließen lassen haben, hätten eigentlich einen höheren Preis gerechtfertigt.
The good
- Detektiv-Abenteuer mit zahlreichen Optionen und Einfluss auf die Geschichte des Spiels. Der Kodex mit seinen Eintragungen ist eine geniale Idee der Entwickler, die ich mir so auch in manch anderen Spielen wünschen würde. /li>
- Synchro im perfekten Oxford-Englisch. Die Herzkönigin hört sich an, wie man es von einer englischen Königin erwarten würde.
- Spannende Story mit vielen bekannten Gesichtern aus dem „Alice im Wunderland“-Universum.
The bad
- Auch wenn der Kodex in meinen Augen extrem gut gelungen ist, so können gerade Genre-Neulinge mit dieser Art von Gameplay-Mechanik ein wenig überfordert sein.n
- HDie Musik hält sich dezent im Hintergrund, was vom Grundsatz hernicht schlecht ist, da der Fokus auf den Dialogen liegt – hier hätte ich mir aber manchmal ein wenig mehr gewünscht.
- Das „vereinfachte Menü“ übergeht leider einen Großteil des hervorragenden Gameplays. Zum Glück ist es aber nur eine optionale Entscheidung, ob man das Menü nutzen möchte oder nicht.
Bilder: Ratalaika Games
Kommentar hinterlassen