Für alle, die Wintersport im Fernsehen immer schon gähnend langweilig fanden, brachte Publisher U.S. Gold 1994 die frohe Kunde: Dank „Winter Olympics: Lillehammer 94“ konnte man die faden Disziplinen an der heimischen Konsole nachspielen. Wie das funktionierte? Mit stupiden Knopfdruck-Orgien.

An Wintersport scheiden sich die Geister. Es soll ja Leute geben, die einen ganzen Nachmittag lang vor dem Fernseher sitzen können und sich ansehen, wie ein Bobfahrer nach dem anderen den Kanal hinunter rast. Events wie der Skisprung-Weltcup in Willingen ziehen sogar ein riesiges Live-Publikum an. Ich persönlich konnte noch nie nachvollziehen, woher die Freude am Zusehen bei den immer gleichen Abläufen rührt – abgesehen von Glühwein und Jagertee.

Winter Olympics Lillehammer94: Skispringen
Vier Knöpfe zu drücken ist einfach, dennoch stürzt man aus unerklärlichen Gründen oft ab.

Eishockey ist in der Wintersport-Spielesammlung leider nicht dabei

Umso ambitionierter, besonders aus heutiger Sicht, wirkt der Versuch des Publishers U.S. Gold, einige ausgewählte Disziplinen auf die Konsole zu bringen. Aufhänger waren die Olympischen Spiele 1994 im norwegischen Lillehammer. Ein großer Rahmen war also gegeben, dennoch blieb die Frage: Wie lassen sich die – das müssen selbst Wintersport-Fans zugeben – oft doch sehr gleichförmigen Bewegungsabläufe im Videospiel umsetzen? Die Antwort sei hier vorweggenommen: Schlecht.

Ich sag’s, wie es ist: Die einzige olympische Winterdisziplin, die ansatzweise für die Umsetzung in einem Videospiel Sinn macht, ist Eishockey. Nun, es hat auf allen Konsolen-Generationen tolle Eishockey-Umsetzungen als Standalone gegeben, weshalb die Sache in dieser Spielesammlung keinen Sinn ergeben hätte. Ergo: Kein Eishockey in „Winter Olympics“. Stattdessen beispielsweise Skispringen. Und nun fragt euch mal: Wie soll eine Sportart auf der Konsole nachempfunden werden, bei der es vor allem darum geht, Körperspannung zu halten und dazu den richtigen Moment für Absprung und Landung nicht zu verpassen?

Winter Olympics Lillehammer94: Bob
Beim Bobfahren musste man sich nur in die Kurven legen, trotzdem reichte es in der Regel nicht.

Knopfdruck-Orgien und traumatische Kindheits-Erlebnisse

Richtig: Man drückt einen Knopf um loszufahren, einen um abzuspringen, hält einen Knopf während des Fluges gedrückt und drückt einen Knopf bei der Landung. Das war’s schon. Warum man aber trotzdem immer wieder mal stürzt oder nicht so weit springt wie die Konkurrenz? Keine Ahnung. Aber irgendwie mussten die Entwickler ja eine gewisse Herausforderung konstruieren.

Dementsprechend berichten auch die Youtube-Kommentare unter den entsprechenden Gameplay-Videos von traumatischen Kindheits-Frustrationen. Wer in Abfahrt oder Riesenslalom, wo man ein bisschen die Richtungstasten hin und her drücken musste, keine perfekte Runde hinlegte, hatte keine Chancen auf eine Medaille. Beim Bobfahren war die einzige wirklich auszuführende Aktion das Hineinlegen in die Kurven. Trotzdem reichte es in der Regel nicht. Die Krönung des Frusts war die Buckelpiste, bei der man gegen einen KI-Gegner antrat und für die Punktrichter noch versuchen musste, Kunstsprünge einzubauen. Warum man immer wieder mal auf die Nase fiel? Keine Ahnung.

Ein wenig Abwechslung hätte noch Biathlon gebracht, denn hier sind immerhin zwei verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Allerdings lässt man beim Langlauf-Teil lediglich einige völlig generische Landschaften liegen, indem man das Steuerkreuz abwechselnd nach links und rechts bewegt. Ein Balken über dem Athleten gibt Orientierung, wann es wieder in die andere Richtung gehen soll. Beim Schießen muss man dann das mal mehr, mal weniger sensible Fadenkreuz über die Löcher gleiten lassen und im richtigen Moment abdrücken. Für einen Durchgang kann man das mal ausprobieren, aber schon beim zweiten Mal kommt eine riesige Langeweile auf.

Winter Olympics Lillehammer94: Abfahrtsski
Steuerung des Todes: Egal, was man versucht hat – der Athlet hat nie das getan, was er sollte.

Maues Gameplay ist auch als Partygag unbrauchbar

Egal, welche Disziplin man wählt: Das Gameplay kann einen nicht bei der Stange halten. Als Fazit muss man festhalten, dass Wintersport zumindest auf einer klassischen Konsole wie dem Sega Mega Drive nicht umsetzbar scheint. Vielleicht würde das im Zeitalter von „Ring Fit Adventure“ oder der Nintendo Wii anders aussehen. Aber mir als Retro-Gaming-Freund ist keine erfolgreiche oder gelungene Wintersport-Adaption bekannt – vielleicht von „1080° Snowboarding“ einmal abgesehen.

Doch selbst in der Präsentation, also dort, wo die offensichtlichen Limitierungen des Stoffs nicht mehr als Entschuldigung herhalten, ist „Winter Olympics“ miserabel. Nervige Intros folgen aufeinander. Man wählt die Disziplin in so etwas ähnlichem wie einer Landkarte mit potthässlichen Icons aus. Vor und nach jedem Durchgang wird man mit überflüssigen Rankings gelangweilt und die Siegerehrungen hätten kaum stilloser visualisiert werden können. Das einzige Element, zu dem zumindest noch geteilte Meinungen vorstellbar sind, ist der Soundtrack. Ich bin in dem Team, das nervige Kirmes-Melodien irgendwo zwischen Schrott-Synthie, Leierkasten und Schweineorgel attestiert. Aber es mag auch Leute geben, die da witzigen Retro-Trash heraushören.

Letzte Frage: Wenn man den kompletten Dilettantismus von „Winter Olympics“ einfach anerkennt und mit einem Lächeln hinnimmt, taugt das Spiel dann nicht vielleicht wenigstens als witziger Partyspaß? Als etwas, über das man sich mit ein paar Freunden, Kaltgetränken und Knabbereien während einer langen Retro-Gaming-Nacht kaputtlachen kann? Eine Art „Mario Party“ auf Eis? Nein, auch das leider nicht. Denn dazu ist der Frustfaktor einfach zu hoch.  Die Erkenntnis, ein richtig mieses Spiel gefunden zu haben, reicht als Lustgewinn nicht aus. Es überwiegt der Ärger, seine Zeit verschwendet zu haben. Lasst euch deshalb nicht aufs Glatteis führen und fahrt einen großen Bogen um die „Winter Olympics“!

Aussehen2 / 20
Soundtrack6 / 20
Spielspaß3 / 20
Immersion1 / 20
Umfang6 / 20

The good

  • Muss man mit der Lupe suchen. Den Soundtrack mag der eine oder andere vielleicht kultig finden.

The bad

  • Grauenvolle Optik
  • Verheerendes Gameplay
  • Keine einzige Disziplin eignet sich für eine Konsolen-Umsetzung
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