Nach der Fußball-Europameisterschaft geht die Bundesliga wieder los. Außerdem hat Konami angekündigt, das Label „Pro Evolution Soccer“ für immer zu beerdigen. Für unseren Autor Grund genug, seinen Alltime-Favoriten rund um das runde Leder vorzustellen. Pro Evolution Soccer 2009 hielt einen neuen Karrieremodus bereit und kann Spieler dank seines phänomenalen Gameplays bis heute stundenlang vor dem Bildschirm fesseln.
Dies wird ein höchst persönlicher Text. Ich gebe Einblicke in mein Seelenleben, bis ins höchst Private. Ihr lest im Folgenden von einigen meiner größten Triumphe und meiner größten Niederlagen. Wenn man sich schon so öffnet, dann sei einem auch ein höchst subjektives Urteil über den besten Fußballsimulator aller Zeiten gestattet, das vielleicht nicht jeder nachvollziehen kann.
Das Spiel meines Lebens auf der Konsole meines Lebens
Die Playstation 2 ist die Konsole, an der ich wohl die meiste Zeit verbracht habe und Pro Evolution Soccer 2009 mein meistgespieltes Spiel auf selbiger. Ich habe haufenweise tolle Adventures im Regal stehen, die darauf warten, endlich auch mal wieder gezockt zu werden. Aber meistens lande ich dann doch immer wieder auf dieser unverschämt guten Fußball-Simulation aus dem vorletzten Jahrzehnt, deren Gameplay aus meiner Sicht bis heute weder von Konami übertroffen wurde, noch vom lizenzstarken Konkurrenten EA.
Dass immer wieder die PES-2009-Disk auf dem Teller landet, liegt vor allem an dem Endlos-Saison-Modus. Mit dem AC Milan, für den ich schon immer eine gewisse Faszination empfunden habe, spiele ich schon den zweiten Jahrzehnte währenden Endlos-Zyklus, nachdem ein Speicherfehler vor einigen Jahren zum unwiderruflichen Spielabbruch führte. In einem stinknormalen Wohnzimmer an einem stinknormalen Mittwochabend spielte sich daraufhin Dramatisches ab.
Große Fußballmomente – ganz allein im Wohnzimmer
Ihr kennt doch die Episode von „The Big Bang Theory“, in der Sheldon sein WoW-Charakter geklaut wird und er völlig traumatisiert die Cops anruft? Sagen wir so: Ich kann nachvollziehen, wie sich der Knabe gefühlt hat. Leute, ich hatte mit Milan wirklich für magische Momente gesorgt. Eine Ära geprägt. Und plötzlich war alles weg! Früh hatte ich die schwere Entscheidung getroffen, mich von den alternden und vor allem teuren Stars Ronaldinho und Shevchenko zu trennen. Stattdessen baute ich meine Offensive um den wieselflinken Pato, den Linksfuß Borriello und den Alleskönner Kaka auf. Was ich mit den Jungs für Buden gemacht habe! Vor allem Borriellos linke Klebe sorgte immer wieder für Traumtore, egal ob aus der Distanz, per Volley-Abnahme oder auch per Fallrückzieher. Der im wahren Leben recht durchschnittliche Angreifer wurde bei mir zu einer vernichtenden Tormaschine.
Regelmäßige Duelle mit den Erzrivalen von Inter Mailand oder Juventus Turin hielten hin und wieder nervenaufreibende Dramaturgie bereit. Manchmal demütigte ich die Gegner aber auch mit Kantersiegen. Den AC Florenz schickte ich mal zweistellig nach Hause: 11:1. Alles hat geklappt, einfach alles! In einem Europacup-Finale gegen Real Madrid rettete ich mich mal in allerletzter Sekunde mit 2:2 in die Verlängerung, um am Ende das Elfmeterschießen zu gewinnen. All diese Triumphe, all diese brillanten Tore musste ich alleine feiern. Schließlich lag meine Freundin jedes Mal längst im Bett. Erst dann konnte ich den großen Bildschirm im Wohnzimmer nutzen.
Konamis Gameplay schlägt EAs Lizenzen
Ebenso allein war ich, als meine Endlos-Runde ein für alle Mal Geschichte war. Ein Schlag, von dem ich mich nicht so schnell erholt habe. Doch ich baute den AC Milan wieder neu auf. Und wieder große Fußballmomente. Wieder Pato, Boriello und Kaka. Doch da die beiden Letztgenannten zu alt wurden, musste ich den Klub neu erfinden. Vorne bombt mittlerweile ein blutjunger Fernando Torres, im Mittelfeld zieht Pavel Nedved nun die Fäden und hat folgerichtig von mir die Kapitänsbinde bekommen. Allen Fußballnostalgikern läuft an dieser Stelle hoffentlich das Wasser im Mund zusammen.
Dass es nach all den Jahren immer noch das ein oder andere spannende Spiel gibt und ich sogar hin und wieder eine Rutsche kassiere, liegt an der ordentlichen KI, die Konami bereits anno 2009 zurechtgezimmert hat. Kein Gegner läuft herum wie Falschgeld und wenn du ein deutlich schwächeres Team spielst, dann ist der Gegner dir nunmal rein körperlich und auch spielerisch überlegen. Genau das will man ja am Ende auch. Eine Fußball-Simulation macht nur dann Spaß, wenn du mit dem FC Köln ein überraschendes 1:1 gegen die Bayern feiern kannst. Wo wir grade beim Thema sind: Deutsche Vereinsmannschaften sucht man bei PES 2009 vergebens, doch das ist egal. Als Kind hatte man ja immer gedacht, Lizenzen seien das Nonplusultra. Als junger Erwachsener weiß man hingegen, dass Gameplay tausend Mal wichtiger ist. Und hier hatte Konami eben schon immer die Nase vorn.
Stichwort Gameplay: Die ganze Spielphysik war in PES 2009 faszinierend und – ja, zu folgendem Statement stehe ich – wurde auch von Konami anschließend nie mehr so erreicht. Mit den Konami-typischen Steilpässen kann man beispielsweise messerscharf durch Abwehrreihen schneiden. Klar, es gibt auch kleinere Schwächen. So ist es unfassbar schwer, mit einer Freistoß-Flanke den Kopf eines großgewachsenen Mitspielers zu treffen. Das funktionierte vier Jahre zuvor bei PES 3 (damals noch ohne Jahreszahlen) deutlich besser. Auch wünschte ich manchmal, Mittelfeldspieler oder Außenverteidiger würden mal nachrücken, wenn ich mit meinen Stürmern den Ball halte. Da dies oftmals nicht passierte, wurde Borriello bei mir zu jenem begnadeten Dribbler und Weitschuss-Künstler, der er heute (virtuell) ist. Allerdings waren bei mir auch mal sieben eigene Spieler an einer rasend schnellen Ballstafette in des Gegners Strafraum beteiligt, bis der Niederländer Lucius den Ball schließlich trocken in den Giebel schweißte.
In den Niederlanden zum Star geworden
Ich könnte noch so viel und so lange über den Endlos-Saisonmodus schwadronieren. Doch der eigentliche Star von PES 2009 war der neue Karriere-Modus. Hier kontrollierte man lediglich einen einzigen Fußballer, mit dem man dann auch – je nach Leistung – immer wieder Angebote neuer Vereine bekam und eine richtige Laufbahn hinlegte. Natürlich habe ich gleich einen Avatar namens „J. Herzmann“ angelegt – einen Modellathleten mit breiten Schultern, vollem Haar und feinen Füßen. Im ersten Versuch spielte ich immer mit der Third-Person-Kamera. Hier kam ich nicht gut zurecht, obwohl es ein Wahnsinnsgefühl war, in Diensten von Newcastle United eine Flanke per Direktabnahme von der Strafraumgrenze unter die Latte von Atletico Madrid zu hämmern. Das Highlight meiner ersten Laufbahn.
Die richtige Weltkarriere legte ich jedoch erst hin, als ich auf die Tribünen-Kamera wechselte. Nach einer durchwachsenen ersten Saison für Middlesbrough entschloss ich mich, einen vermeintlichen Schritt zurück zu gehen und in die niederländische Eredivisie zu wechseln. Bei Twente Enschede wurde ich zum Star. Nie werde ich mein erstes Spiel vergessen. Gegen Ado Den Haag wurde ich an einem regnerischen Tag im letzten Viertel des Spiels eingewechselt und machte kurz vor Schluss einen Abstauber zum entscheidenden 1:0 rein. Passenderweise wählte der Zufallsgenerator der coolen Menümusik anschließend den Song „Hero of the Day“ aus. Twente und ich – das war Liebe auf den ersten Blick. Drei Jahre lang blieb ich die zentrale Figur in der Offensive des Traditionsklubs. Leider blieb die Zeit titellos, denn an Ajax Amsterdam kamen wir am Ende leider nicht vorbei.
Doch dank meiner vielen Tore und Vorlagen waren die Großkaliber Europas auf mich aufmerksam geworden. Schweren Herzens entschloss ich mich, meinen niederländischen Kumpels „tot ziens“ zu sagen und schloss mich Tottenham Hotspur an. Zurück also in die Premier League. Ich hatte Respekt vor der Aufgabe, fand mich jedoch gut zurecht. In der Rückrunde stellte mich der Trainer mangels Alternative immer wieder als alleinige Spitze auf – Darren Bent hatte sich verletzt. Obwohl ich mich auf dieser Position nicht ideal eingesetzt fühlte, gewannen wir plötzlich jedes Spiel und fingen den scheinbar übermächtigen FC Liverpool noch kurz vor Schluss ab. Trotz der Sensationsmeisterschaft mit Tottenham fand ich es bedenklich, dass kein waschechter Stürmer verpflichtet wurde und erschloss mich erneut zu einem Wechsel. Diesmal zu Manchester United.
Die schönste Karriere-Zeit bei Manchester United verbracht
Und hier ging es richtig ab. In dieser Truppe, gespickt mit Offensivkünstlern, bewegte ich mich wie ein Fisch im Wasser. Ihr könnt euch nicht vorstellen, welch Buden ich im Zusammenspiel mit Rooney und Berbatov fabriziert habe. Einmal trat Cristiano Ronaldo an der Strafraumgrenze zum Freistoß an. Alles rechnete mit einem Schuss, doch ich schlich mich an der gegnerischen Mauer vorbei und der junge CR7 feuerte den Ball messerscharf in Richtung meiner Stirn. In einer instinktiven Reaktion drückte ich das Viereck und der Ball schlug flach knapp neben dem Pfosten ein. Ein genialer Trick, den man eigentlich akribisch auf dem Trainingsplatz einstudieren muss. Ich hatte das Bedürfnis, „meinen Kumpel Cristiano“ beim Torjubel ganz fest zu drücken.
Ein anderes Mal schlug Nani einen langen Diagonalball, der im Seitenaus, knapp neben der Eckfahne, zu verenden drohte. Ich erreichte ihn noch, musste ihn allerdings direkt nehmen und bugsierte den Ball mit Kreis über den eigenen Kopf in den Strafraum. Dort stürmte Carlos Tevez plötzlich im Rücken der Abwehr heran, flog durch die Box und wuchtete meine Vorlage mit einem mächtigen Kopfball in die Maschen. In diesem Ensemble spielten wir jahrelang den spektakulärsten Fußball und gewannen Titel in Serie.
Warum ich euch das alles erzähle? Weil ich vermitteln will, dass man sich bei PES 2009 tatsächlich fühlte, als würde man Seite an Seite mit den besten Fußballern der Welt spielen. Weil spektakuläre Duelle mit Top-Klubs tatsächlich Gänsehaut verursachten. Weil man große spielerische Momente erlebte, von denen man in seinem Wohnzimmer glaubte, die ganze Welt müsse sie sehen. Formt das Team eurer Träume, durchstreift im Karriere-Modus ganz Europa oder liefert euch die ganze Nacht lang Duelle mit eurem besten Kumpel: Pro Evolution Soccer 2009 ist bis heute die beste Fußballsimulation aller Zeiten.
The good
- Weltstars wie Kaka, Pirlo oder Rooney sind nicht nur optisch super getroffen, sondern spielen sich auch individuell – mit allen realen Stärken und Schwächen.
- Das Gameplay wurde so nie vorher und nie danach erreicht. Der Karriere-Modus ist der Hammer.
- Selbst der Soundtrack passt – endlich ist ein Fußballsimulator mal auf die Idee gekommen, coole Britpop-Songs statt hektische Elektro-Beats zu verwenden.
The bad
- Akustisch ist es ok, aber für die Optik des Publikums waren offenbar keine Kapazitäten mehr vorhanden.
- Manchmal dürften die eigenen Mitspieler sich offensiver verhalten. Auch durch taktische Umstellungen sind sie nicht dazu zu bewegen.
- Nein, man kann nicht mit Greuther Fürth und dem SV Sandhausen spielen. Dann geht doch zu EA!