In den 90ern war Sega ein Synonym für Innovation, Tempo und Mut zum Risiko. Doch zwischen dem Mega Drive-Hit „Sonic the Hedgehog“ und dem Saturn lag ein Stück Technik, das heute vor allem Sammlerherzen höherschlagen lässt – und gleichzeitig als Paradebeispiel für eine verfehlte Firmenstrategie gilt: das Sega 32X.
Was als mutiger Zwischenschritt in die 32-Bit-Zukunft gedacht war, wurde zum Inbegriff des „Zu viel, zu schnell, zu unübersichtlich“. Das Add-on für den Mega Drive versprach Leistungsschübe, Arcade-Grafik und neue Möglichkeiten – geliefert wurde jedoch eine technisch beeindruckende, aber kommerziell recht desaströse Erweiterung. Heute blicken wir zurück auf das 32X – eine der charmantesten Bruchlandungen der Videospielgeschichte.
Segas 32X erschien 1994 und ist eines der Relikte, was den Übergang von der 16- in die 32-Bit-Zeit betrifft. Sega hat in den 90ern mehrere kommerziell schwierige Entscheidungen getroffen, das 32X setzt der Firmenpolitik dabei das Krönchen auf. Ziel des Aufstecksystems ist ein Upgrade auf 32-Bit sowie die Möglichkeit jetzt ganze 32.768 Farben darstellen zu können, anstelle von standardmäßigen 512.
Der Adapter für den Mega Drive macht zunächst einen simplen Plug-and-Play-Eindruck, tätsächlich wird er jedoch mit einem großen Netzteil geliefert, ein weiteres Kabel für die Verbindung von Mega Drive (1) und das 32X ist von Nöten und es gibt die äußerst unbeliebten, ziemlich scharfen Metallklammern, die den Cartridge-Slot offen halten und das Gerät sowohl technisch als auch rein physisch stabilisieren sollen. Wer über einen Mega Drive 2 verfügt kann sowohl auf Klammern, als auch auf das Verbindungskabel verzichten.
Der erhoffte Quantensprung in Sachen Aufholjagd gegen Nintendo blieb eher aus und bei vielen der rund vierzig veröffentlichten Games sind die Unterschiede eher marginaler Natur. „Doom“ wurde beispielsweise in der Produktion so gerusht, dass ganze zehn Level fehlen. „Knuckles‘ Chaotix“ als Sonic-Spin-Off, mit weitgehend identischen Gameplay der Platformer-Reihe, zeigt sich derart quietschbunt, dass man den Eindruck erlangt, hier wollte man mit Krampf die Power des 32X demonstrieren. Andere Titel, wie „After Burner“, „Star Wars Arcade“ oder „Space Harrier“ sind dichter an ihren großen Arcade-Brüdern dran, jedoch waren Arcade-Klassiker nicht unbedingt das, worauf die Fans gewartet haben, als Sega praktisch das neue Bit-Zeitalter einläuten wollte.
Als ein regelrechter Hidden Gem gilt „Kolibri“, ein von dem Team von „Ecco the Dolphin“ entwickeltes farbenfrohes Spiel, bei dem ihr einen Kolibri steuert und euch mit ihm durch verwegene Naturwelten ballert. Ja, richtig gehört! Neben „Kolibri“ gehört der Plattformer „Tempo“ noch zu einem der Hidden Gems, die gerne zitiert werden, wenn es um Segas Erweiterung für die schwarze Konsole ging. Fighting-Fans zeigten sich außerdem mit dem soliden „Virtua Fighter“ zufrieden. Der Automaten-Hit wurde solide auf die Heimkonsole portiert.
Leider ging Sega schon im Jahr 1995 die Luft aus. Ihr Aufsteckgerät, das heute als äußerst charmant und ein Kernstück in Sachen „retro“ darstellt, verkaufte sich äußerst schleppend. Nintendo hatte ihre Pläne für Erweiterungen des SNES komplett gekappt und steckte alle Aufmerksamkeit in die Konsole der Zukunft: das N64.
Da der Sega Saturn als vollwertige 32-Bit-Konsole mit neumodischer CD-Rom-Technologie bereits vor der Tür stand, gab es nicht mehr allzu viele Gründe, auf den 32X zu setzen. Bereits das Sega Mega-CD blieb hinter seinen Erwartungen zurück: Das 32X stand einfach unter keinem guten Stern und sollte der wohl größte Flop in der Geschichte der japanischen Gaming-Kompanie werden.
Insgesamt ist festzustellen, dass Sega gleichzeitig zu viel am Markt bedienen wollte. Selbst als der Saturn schon im Verkauf war, kamen noch Spiele für Sega Mega-CD und 32X raus . Sogar gab es Titel für die gleich beide Add-Ons obligatorisch waren.
Spielebibliothek
Auch wenn das 32X nur eine kurze Lebensdauer hatte, sind immerhin 40 Spiele für das Gerät erschienen. Sechs Titel waren nur in Kombination zwischen 32X und dem Add-On für CD möglich. So gab es beispielsweise ein paar Spiele der Kategorie „Racing“: Das Vorzeige-Rennspiel für das 32X ist eindeutig „Virtua Racing Deluxe“. Es ist ganz klar besser als die Mega-Drive-Version und spielt sich fast auf Arcade-Niveau ab.
Von den weltweit veröffentlichten sechs Spielen, für die ebenfalls das Sega Mega-CD benötigt wird, ist „Night Trap 32X“ wohl der bekannteste Titel. Aber wenn solch ein doch eher mieses Spiel hier schon hervorsticht, ist wohl klar, dass die Spielebibliothek der gemeinsamen CD- und 32X-Variante eher nicht lohnenswert ist.
Warum eigentlich wird bei diesen Titeln beides benötigt? Bleiben wir bei „Night Trap 32X“: Diese Version sieht viel besser aus, spielt sich aber gleich. Das Spiel ist also nicht inhaltlich anders, sondern technisch aufpoliert, um sich von der normalen SEGA-CD-Fassung abzuheben. Die Standard-Version kann gerade bis zu 128 Farben gleichzeitig anzeigen, nur doppelt so viele also, wie der gewöhnliche Mega Drive, beziehungsweise die Genesis. Durch das 32X werden beispielsweise die Videosequenzen (hierfür ist das Mega-CD von Nöten) sehr viel klarer dargestellt und die Farben wirken im Allgemeinen weniger verwaschen. Dank der stärkeren Farbvielfalt ist außerdem die Kompression weniger sichtbar, als wenn man auf das 32X verzichtet. Allgemein ist der grafische Zustand des Spiels sehr viel hochwertiger.
Technische Daten
Das 32X von Sega verfügt über zwei Hitachi SH-2-Prozessoren (32-Bit, 23 MHz). Bei einer Auflösung von 320×224 Pixel kann es gleichzeitig bis zu 32.768 Farben anzeigen. Der Ton läuft weiterhin über den Mega Drive, hier kommt es also zu keinen Optimierungen.
Selbstredend steht auch die Frage im Raum, ob das 32X den Mega Drive oder die Genesis schneller macht. Die Antwort ist nein. Die CPU des Mega Drive wird nicht ersetzt und er arbeitet weiterhin mit seiner Motorola 68000 CPU mit 7,6 MHz. Man kann also nicht „Sonic“ einlegen und darauf hoffen, dass es irgendwie flüssiger läuft. Was aber passiert, ist, dass die beiden eigenen Prozessoren die Berechnung von 3D-Objekten, Farbverläufen und Effekten übernehmen. Die beiden zusätzlichen Prozessoren sind also als ergänzende Technik zu verstehen, die für die nötige Flüssigkeit im Gameplay sorgen.
Worauf muss man heute beim Kauf achten?
Heute ist das 32X ein äußerst gesuchtes Sammlerobjekt und kostet je nach Zustand komplett bereits 500 – 600 Euro. Wollt ihr das Teil samt OVP kaufen, ist es schwierig, unter 800 Euro fündig zu werden. Ja, das sind enorm hohe Preise und man muss sich wirklich zwei Mal überlegen, ob einen das Retro-Feeling diesen finanziellen Aufwand wert ist.
Die 32X-Hardware ist regionsgebunden. Es gibt unterschiedliche Hardware-Versionen des 32X: PAL (Europa), NTSC-U (USA) und NTSC-J (Japan). Diese unterscheiden sich unter anderem in der Videoausgabe (PAL vs. NTSC) und der Form der Anschlussstecker, die besonders wichtig bei Verbindung zum Mega Drive, bzw. der Genesis sind. Ein US-32X passt beispielsweise nicht ohne Adapter an ein PAL-Mega-Drive und umgekehrt.
Häufig wird die 32X auch ohne Netzteil und Verbindungskabel als loses Add-On zu hohen Preisen verkauft. Achte unbedingt auf die Vollständigkeit des Ganzen.
Schleichendes Aus auf dem Hardwaremarkt
1994 dachte Sega genau am Zahn der Zeit zu sein und irgendwie waren sie es ja auch, schließlich war 32-Bit die Zukunft. Dass das ganze Projekt 1995 schon wieder eingestellt wurde, ist natürlich tragisch. Das große Ziel, das Wettrennen gegen Nintendo und Spiele aus dem Bereich Arcade zu gewinnen scheiterte weniger auf der technischen, als viel mehr auf der kommerziellen Seite. Heute sind gerade die Technologien und Software, die sich schwach verkauften, beliebte Sammlerstücke und werden praktisch als besonders retro, besonders sammlungswürdig betrachtet.
Es scheint fast so, als sei das 32X wohl der erste Sargnagel im sich abzeichnenden Hardware-Abschied von Sega.
Bild: Evan-Amos (Wikipedia)
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