Man nehme das Mittelalter, eine Brettspiel-artige Welt und verpacke das Ganze in einem rundenbasierten Strategiespiel – voilà, man bekommt ein Indie-Game namens „Rising Lords“. Dass Indie-Games durchaus zu überraschen wissen, hat „Rising Lords“ wieder einmal unter Beweis gestellt. Warum ihr euch das Mittelalter-Strategiespiel nicht entgehen lassen solltet, erfahrt ihr in meiner Review.
„Rising Lords“ stammt aus der Feder des Indie-Entwicklers Argonwood, der zusammen mit Publisher Deck 13 das Spiel bereits 2020 auf Steam im Early Access veröffentlicht hat. Seitdem ist viel passiert, sodass das Spiel gestern, am 18.01.2024, den Early Access verlassen hat und für Xbox One, Xbox Series X/S, Nintendo Switch und den PC veröffentlicht wurde. Der folgende Trailer zeigt, was euch in „Rising Lords“ erwartet:
Tutorial ist ein Muss
Bereits auf der Gamescom 2023 konnte ich einen Blick auf „Rising Lords“ werfen und den Indie-Titel anspielen. Ich hatte sehr viel Spaß dabei, meine Einheiten ins Gefecht zu werfen. Ob ich vielleicht eine oder zwei unkluge Entscheidungen getroffen habe, die zu meiner Vernichtung geführt haben, lasse ich jetzt mal unbeachtet, denn „Rising Lords“ hat einfach Spaß gemacht. Dass Rundenstrategie zuweilen ein wenig kniffliger ist und eine falsche Entscheidung ausreicht, hat mir „Rising Lords“ wieder einmal schmerzhaft bewusst gemacht. Doch damit es euch nicht so wie mir ergeht, haben sich die Entwickler etwas Gutes ausgedacht: So kann man die Kampagne erst starten, wenn man das Tutorial erfolgreich abgeschlossen hat. Die Lernstunde werdet ihr auch brauchen, denn auch wenn „Rising Lords“ auf den ersten Blick recht simpel erscheint, stecken viele taktische Aspekte im Spiel, die es zu meistern gilt.
Im Tutorial übernimmt man die Rolle von Tankred, der von seinem Vater angeleitet wird, damit dieser einmal sein Erbe antreten kann. So lernt man von Tankreds Vater, wie man ein Dorf bzw. eine Stadt verwaltet – von einfachen Dingen wie Getreideanbau und Viehzucht über komplizierte Mechaniken wie Lagerverwaltung oder Warentransport bis hin zu Gebäudebau ist alles dabei. Hat man diese Schritte gemeistert, geht es daran, ein Heer aufzustellen und Banditen zu besiegen. Wenn man das Tutorial erfolgreich beendet hat, geht es in der Kampagne mit der Geschichte rund um Tankred weiter.
Vom einfachem Lord zum König
Nach einem Schicksalsschlag obliegt die Verantwortung und die Kontrolle über die Ländereien Tankred. Doch der Junge muss noch viel lernen. So gilt es, Tannheim, eure Heimat, wieder auf Vordermann zu bringen, ein schlagkräftiges Heer aufzustellen und neue Ländereien zu erobern oder mit anderen Lords diplomatische Beziehungen zu pflegen, Handel zu treiben oder Intrigen zu schmieden.
Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht, denn auch wenn man die Grundmechaniken beherrscht, kommt noch einiges dazu, das es zu beachten gilt. So gibt es verschiedene Jahreszeiten, die eure Ernte beeinflussen. Ihr müsst Nahrungsvorräte für den Winter anlegen, darauf achten, dass ihr genug Wohnhäuser für eure Bevölkerung habt und natürlich auch Ressourcen erwirtschaften, um eure Ländereien zu erweitern, Gebäude bauen zu können und Waffen für eure Truppen herzustellen. Vor allem die Ressource Mensch, also eure Bauern bzw. Leibeigenen, solltet ihr gut unter Kontrolle haben. Denn sind die nicht zufrieden, steht euch vielleicht ein kleiner Bauernaufstand ins Haus, der euch alles kosten kann.
Multiplayer und andere Modi
Neben der Kampagne wartet „Rising Lords“ auch noch mit verschiedenen Modi auf.
Einzelspieler:
- Szenarios: In den Szenarios könnt ihr auf verschiedenen Karten und mit unterschiedlichen Grundvoraussetzungen, wie z.B. geringe Ressourcen, gegen drei Computer-gesteuerte Gegner antreten.
- Herausforderungs-Modus: Im Herausforderungs-Modus werdet ihr nach Challenge Island verfrachtet und müsst dort mit begrenzter Fläche und Ressourcen eine Armee auf die Beine stellen und gegen feindliche Armeen nach jeder Runde kämpfen. Besiegt man die Gegner, schaltet man verschiedene Boni, wie z.B. Getreide oder Bewohner, frei.
- Benutzerdefinierte Schlacht: Wie der Name bereits suggeriert, stellt ihr euch in diesem Modus eine Armee zusammen und könnt euer Geschick gegen KI-Gegner auf dem Schlachtfeld beweisen.
Mehrspieler:
- Szenarios: Hier könnt ihr euch mit bis zu drei weiteren Spielern auf verschiedenen Karten messen. Wie in den Einzelspieler-Szenarios können auch wieder verschiedene Optionen, wie z.B. ein Zeitlimit für die Schlachten, eingestellt werden. Das Besondere: Alle Spieler können gleichzeitig agieren und es gibt kein Wartesystem, wie es sonst bei rundenbasierten Strategiespielen oft der Fall ist.
- Online-Schlacht: In diesem Modus könnt ihr gegen einen Mitspieler auf dem Schlachtfeld antreten. Wie in der benutzerdefinierten Schlacht, stellt jeder sein eigenes Heer zusammen und dann gilt es, auf verschiedenen Schlachtfeldern euer strategisches Können zu beweisen.
Ein bunter Mix
Generell zeichnet sich „Rising Lords“ durch eine gute Mischung aus verschiedenen Genres und Gameplay-Mechaniken aus. So kümmert man sich wie in einem wirtschaftsbasierten Aufbau-Spiel um Ressourcengewinnung, Verwaltung von Ressourcen, Produktion, Aufbau von Gebäuden, Diplomatie, Steuern und Essensrationen für eure Bauern bzw. euer Heer. Dann haben wir den Kampf, dieser findet auf einem Schlachtfeld statt, das uns direkt an die „Heroes of Might and Magic“-Reihe erinnert. Im Kampf muss man dann auf Moral und verschiedene Stärken der Einheiten, aber auch des Befehlshabers, achten. Denn sinkt die Moral auf Null oder wird euer Anführer gefangen genommen, habt ihr die Schlacht verloren. Die Schlacht bietet aber auch noch einen weiteren Clou, denn statt Einheiten-spezifischer Spezial-Attacken, stellt man sich als Spieler aus einem Kartendeck verschiedene Spezialfähigkeiten, wie z.B. Brandpfeile, zusammen. Die Karten bringen dann noch einmal einen zusätzlichen strategischen Aspekt ins Spiel.
Auch abseits des Gameplays kann „Rising Lords“ überzeugen. So ist die Geschichte der Kampagne echt gelungen und die Entscheidungen, die man dabei trifft, haben wirklich Auswirkung auf den Spielverlauf. Auch der Soundtrack kann überzeugen und man hat das Gefühl, das man von einem Minnesänger auf der Reise begleitet wird. Hinzu kommt auch, dass das Spiel über einen Karteneditor verfügt, in dem man eine eigene Karte bzw. auch ein eigenes Szenario erstellen kann. Zusätzlich verfügt das Spiel über Mod-Unterstützung, sodass man über den Steam-Workshop z.B. eigene Karten und Story-Missionen für den Szenario-Modus mit anderen Spielern teilen kann.
Mittelalter-Game weiß zu überzeugen
Bereits auf der Gamescom hat mich das Spiel in seinen Bann gezogen und ich konnte es gar nicht abwarten, es länger spielen zu können. Mein Eindruck von der Gamescom 2023 hat sich beim Test dann auch noch einmal bestätigt. So hat mich vor allem der Genre-Mix aus rundenbasiertem Strategiespiel mit Karten- und Brettspiel-Elementen überzeugt. Auch der Soundtrack und die Grafik, die an die Handabschriften der Mönche aus dem Mittelalter erinnern, sind super gelungen und tragen viel zur Atmosphäre bei. Die Kampagne macht Spaß und kann ein Stück weit auch durch bestimmte Entscheidungen beeinflusst werden. Zudem bietet das Spiel auch Mod-Unterstützung und einen Map-Editor, in denen man seine eigenen Szenarien erstellen kann. Doch ist leider nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen, denn das Spiel hat auch ein paar negative Aspekte. So ist es in meinem Test mehrmals abgestürzt, was mich ein wenig Fortschritt in der Kampagne gekostet hat. Dann hätten wir noch das Problem, dass ich in der Multiplayer-Partie einen Mitspieler nicht einladen konnte und dies erst nach einem Neustart des Spiels wieder möglich war. Zudem ist das Spiel öfter im Ladebildschirm des Gefechts eingefroren und hat fast zwei Minuten gebraucht, damit es weiterging. Des Weiteren ist mir persönlich die Truppen-Auswahl etwas zu klein – hier würde ich mir wünschen, dass die Entwickler vielleicht noch einmal Hand anlegen und ein paar mehr Truppengattungen ins Spiel bringen. Aber alles in allem fallen die technischen Probleme nicht so sehr ins Gewicht und sind bestimmt mit dem einen oder anderen Patch bald passé. Deswegen bekommt das Spiel trotz kleiner Probleme von mir dennoch eine Kaufempfehlung, da es ein echt gelungenes Strategiespiel mit einem völlig neuen Ansatz und auch interessantem Genre-Mix ist. Wenn ihr also Mittelalter-Settings mögt und euch ein rundenbasiertes Strategiespiel mit Karten- und Brettspiel-Elementen zusagt, dann solltet ihr euch „Rising Lords“ nicht entgehen lassen.
The good
- Interessante Kampagne mit einer gut geschriebenen Story
- Zahlreiche Modi wie der Herausforderung-Modus / Szenarios und der Multiplayer bieten jede Menge Abwechslung
- Ein gelungener Genre-Mix aus rundenbasiertem Strategiespiel mit Karten- und Brettspiel-Elementen
The bad
- Mehrmalige Abstürze beim Test, die Fortschritt gekostet haben und kurze Bildschirm-Freezes im Gefechts-Ladebildschirm
- Spieler wurden nicht auf Anhieb im Multiplayer gefunden
- Auswahl der Truppen ist ein wenig zu gering, sodass man, wenn man den Bogen einmal raus hat, auch mit einer schwächeren Armee stets gewinnen kann. Hier würden weitere Truppengattungen nochmal etwas mehr taktische Tiefe hineinbringen
Vielen Dank für die schöne Review! Freut uns, dass es euch Spaß gemacht hat!