Reich werden mit dem Verkauf alter Videogames oder die eigene Sammlung liebevoll pflegen: Das Thema Grading und VGA ist nicht erst seit den Rekord-Verkäufen der Nintendo-Klassiker auf dem Vormarsch. Im ersten Teil unseres Interviews erzählt uns Deutschlands führender VGA-Youtuber Marcel Gloger, wie er zum Sammeln kam, warum sich immer mehr Menschen dafür interessieren und was so alles passieren kann, wenn man Videospiele zur Bewertung in die USA schickt.
Seit etwa einem Jahr wächst die Community von Sammlern alter originalverpackter Videospiele, sogenannter VGAs. VGA ist dabei sowohl der Bezeichnung für die Spiele selbst als auch der Name einer der beiden großen spezialisierten US-Companies, bei denen Sammler ihre Schmuckstücke bewerten lassen. Diese Bewertungen sind eine Grundlage für die Millionenbeträge, die zuletzt für versteigerte Nintendo-Spiele gezahlt wurden.
Der deutsche Youtuber MarciGaming VGA, bürgerlich Marcel Gloger, befasst sich auf seinem Kanal ausschließlich mit den Themen Grading/VGA. Mit hilfreichen Tutorials führt er durch den Bewertungs-Dschungel, denn das Grading von VGAs folgt eigenen Gesetzen. Parallel bietet „Marci“ mit seinem Discord-Server eine Plattform zum Austausch innerhalb der Community.
Retrogamingcrew hat mit dem jungen Mann gesprochen, dessen Videos bereits eine vierstellige Anzahl von Nutzern erreichen.
Marcel, wie wird man Deutschlands größter Influencer im Bereich VGA?
Ähm… keine Ahnung, bin ich das?
Mit einer vierstelligen Abonnenten-Zahl auf Youtube kann man das schon so sagen.
Ja, witzig oder? So schnell geht das. Es ist halt noch ein Nischen-Thema, allerdings gleichzeitig extrem im Kommen, denn die Community wächst schnell. Klar gibt es die großen Gaming-Youtuber, die haben deutlich mehr Follower. Aber zum Thema VGA bringen die nur ab und zu mal ein Video, in dem sie erwähnen, dass sie mal ein Spiel für einen Betrag X gekauft haben und dieses mittlerweile ein Vielfaches wert ist. Als Kanal, der sich komplett auf dieses Thema konzentriert und bei dem man wirklich was lernt, habe ich noch ein Alleinstellungsmerkmal.
Und das mit deinen gerade mal 22 Jahren. Mit welchen Games und Systemen bist du denn aufgewachsen?
Mein Vater hat meiner Mom damals einen Gameboy Color geschenkt, mit dem ich immer auf unseren Urlaubsfahrten nach Italien „Super Mario Bros“ gespielt habe. Ich kann mich noch gut erinnern, wie nervig es war, durch die vielen Tunnel zu fahren, da es immer dunkel wurde und ich dann unterbrechen musste. Den Handheld habe ich auch immer noch hier und zocke ab und zu damit.
Dann kam irgendwann die Zeit, als in der Grundschule plötzlich jeder den Nintendo DS hatte. Also habe auch ich einen bekommen und auch hier „Super Mario Bros“ und „Mario Kart“ gespielt. Irgendwann ging es weiter mit „Animal Crossing“ und anderen Spielen. Man hat sich dann unter Klassenkameraden gegenseitig Spiele ausgeliehen. Die waren ja damals auch teuer, um die 50 Euro hat eins gekostet. Dabei hatte man schon für das ganze System 149 Euro gezahlt – was ja heute ein Schnapper wäre. Trotzdem hatte ich dann ein paar Freunde, die buchstäblich Regale voller Spiele hatten.
Als die Wii erschien, gab es meine geliebten Spiele aus dem „Mario“-Franchise natürlich plötzlich in einer ganz anderen Auflösung. Es gab Multiplayer-Modi und vieles mehr. Meine kleine Schwester und ich konnten damals bei einem Elektrofachhandel unseren DS mit Spielen für eine Wii eintauschen. Darauf zocken wir noch heute unsere „Mario Kart“-Runden.
Dementsprechend liegt auf der Nintendo-Schiene auch der Schwerpunkt meiner Sammel-Aktivitäten. Aus dem „Mario“-Franchise fehlt mir nur noch „Mario & Luigi: Partners in Time“, das extrem selten zu finden ist. Dann bin ich damit durch. Ich habe allerdings jetzt auch mit Playstation angefangen. Das kam, weil ich öfter bei Kollegen GTA gezockt habe.
Vielen Dank für die Überleitung: Wie kam es dann zu deiner Sammel-Leidenschaft für alte Videospiele?
Gesammelt habe ich schon als kleines Kind gerne – von Diddl über Wrestling-Chips bis hin zu diesen Steinen, in deren Mitte diese lila Kristalle sind. Aber als dann irgendwann Sport und andere Dinge wichtiger wurden, ruhte die Sammelleidenschaft eine Weile.
Auf das Thema VGA hat mich etwa 2015 ein Video von Uwe (Youtuber Flying Uwe; Anm. d. Red.) aufmerksam gemacht, in dem er ein bisschen in das Thema VGA eingeführt hat. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als er für alte Famicom-Spiele bereits vierstellige Preise genannt hat.
Etwas Zeit später saß ich bei einem Kumpel und wir haben überlegt, was wir mal wieder zocken könnten. Wir kamen auf „Cyberpunk“ und haben recherchiert, dass es da eine hochwertige Collector’s Edition gibt. Und da hat mich die Sammellaune einfach wieder gepackt.
Es kam eins zum anderen: Ich habe mich ein bisschen auf Ebay-Kleinanzeigen umgeschaut und mich dann an die Wii und den Gameboy Color aus meiner Kindheit erinnert. Als ich dann angefangen habe, diese zu sammeln, waren sie auch noch nicht so teuer wie jetzt.
Und was hat den Ausschlag gegeben, deinen eigenen Youtube-Kanal zu dem Thema zu starten?
Als ich vor einem Jahr wirklich gestartet habe, hatte ich den Kanal schon seit ein paar Monaten, habe da allerdings nichts wildes hochgeladen. Dann hat Monte (Youtuber MontanaBlack; Anm. d. Red.) ein Video gepostet, in dem er erzählte, dass er vor einer Weile ein Spiel für etwa 3.000 Euro gekauft hatte und nun für dasselbe Spiel ein Gebot über 45.000 Euro bekommen habe. Das Spiel war die Gelbe Edition von „Pokemon“ für den Gameboy mit einem 95er Rating und Monte hat erklärt, dass er nicht verkaufen werde.
Ohne mir viel zu erhoffen, habe ich ein Reaction-Video darauf gemacht, das dann aber funktioniert hat. Das war mein Einstieg als VGA-Youtuber. Plötzlich nahm das Thema Fahrt auf. Mal hat Monte etwas gepostet, mal Uwe, mal ich. Meinen richtigen Durchbruch hatte ich dann mit meinem Tutorial zu der Frage, wie man überhaupt ein Spiel bei VGA einschickt. Damit habe ich Neuland betreten. Alle, die das zu diesem Zeitpunkt bereits praktiziert hatten, haben diese Infos nie rausgerückt. Und die VGA-Seite selbst ist wirklich sehr schwer verständlich. Deswegen waren viele User dankbar für meinen Content. Dasselbe gilt für WATA.
Man merkt: Ein Versand von Videospielen zum Grading in den USA ist schon ein kleines Abenteuer. Gab es entsprechend in deiner VGA-Karriere schon Unvorhergesehenes?
Einmal hat mir der US-Zoll eine originalverpackte Switch zerstochen. Sowas ist extrem ärgerlich. Da habe ich dann Bilder von VGA bekommen mit der Nachricht „wurde vom Zoll geöffnet“. Auch einige Spiele hatten schon Schlitze vom Cutter abbekommen. Leider geht der Zoll nicht immer sorgsam mit Videospielen um. Deshalb wäre ein deutsches Grading-Unternehmen eigentlich nicht schlecht. Aber da sehe ich schwarz. Es fehlt einfach auch zu viel Know-how. Mit den Referenzen von über zehn Jahren verfügt VGA ja über eine riesige Datenbank.
Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen den beiden großen Playern VGA und WATA? Woher weiß ich, wohin ich meine Spiele schicke?
Du musst einfach entscheiden, welches Case dir besser gefällt. VGA gibt es seit circa 2008, WATA erst seit zwei Jahren. Deshalb gradet WATA auch nicht alles. Playstation 4 und Playstation 5 ist aber nicht in ihrem Portfolio. Das bedeutet, das Unternehmen ist spezialisiert, während VGA die ganze Palette anbietet. Aber in der Bewertung finde ich beide gleich kompetent.
Beides sind US-Firmen, da die Amerikaner wie in so vielen Sektoren entscheiden, wer eine Top-Firma ist. Kein amerikanischer Sammler wird ein Spiel zum Graden nach Europa schicken und deshalb werden hiesige Firmen auch nie zu ernsthaften Alternativen.
Ich persönlich mag Einheitlichkeit. Mit meinen DS-Spielen habe ich bei VGA angefangen, deshalb werden auch alle meine DS-Spiele jetzt dort gegradet. Die Wii-Spiele sehen aber meiner Meinung nach in einem WATA-Case schöner aus, deshalb schicke ich sie auch alle dorthin.
Im zweiten Teil gehen wir mit Marcel weiter ins Detail und sprechen darüber, was den VGA-Markt in den vergangenen Monaten in Aufruhr versetzt hat.
Bild: Marcel Gloger
Kommentar hinterlassen