Palmen, Neonfarben und die Mafia: Die 80er Jahre waren ein wildes Pflaster – zumindest in Vice City, der Stadt der Sünde. Was zunächst nur als Erweiterung von „Grand Theft Auto 3“ gedacht war, wurde zu einem der ikonischsten „GTA“-Teilen überhaupt.
Bis heute hadere ich mit mir, welchen „GTA“-Teil ich am besten finde. Dabei stehen „Vice City“ und „San Andreas“ ganz oben bei mir im Kurs. Objektiv betrachtet, hat Letzteres ganz klar die Nase vorn – immerhin erschien es zwei Jahre nach „Vice City“ und führte einige großartige Gameplay-Features ein. Doch „Vice City“ entfacht bei mir größere Nostalgie-Gefühle. Daher möchte ich dem Spiel einen Klassiker Check spendieren.
Welcome to Vice City
In „Grand Theft Auto Vice City“ übernehmen wir die Rolle von Thomas Vercetti – besser bekannt als Tommy Vercetti. Der Hawaii-Hemd tragende Ganove ist Mitglied der Forelli-Familie, saß allerdings 15 Jahre im Gefängnis. Nach seiner Entlassung wird er vom Oberhaupt der Familie, Sonny Forelli, nach Vice City geschickt, damit er einen Drogendeal über die Bühne bringt. Gesagt, gescheitert. Eine unbekannte Gruppe überfällt die Truppe und Tommy muss ohne Geld und Drogen fliehen. Das passt Sonny natürlich überhaupt nicht und er schickt Tommy los, das Geld zurückzuholen.
So erlebt ihr als Spieler ein actionreiches Abenteuer in Vice City – einer Stadt, die von sonnigen Stränden bis hin zu heruntergekommenen Ghettos reicht. Tommy Vercetti bleibt nicht lange ein Handlanger des Forelli-Bosses. Im Laufe der Geschichte lernt er den exzentrischen Lance Vance kennen, der sich Tommy anschließt, um Rache für seinen Bruder zu üben, der beim gescheiterten Drogendeal ums Leben kam. Schon bald kommen er und Tommy an ein eigenes Verbrecherkartell. Aber ihr wisst ja: Mit großer Macht kommt große Verantwortung – ach ne, das gilt ja nur für Helden. Im Falle von Verbrechern sollte es wohl eher heißen: Mit großer Macht kommen viele Feinde – oder so ähnlich. So wird Sonny schnell zum größten Feind.
Bis wir allerdings zu diesem Punkt gelangen, treffen wir auf zahlreiche Kultfiguren, mit denen wir zusammenarbeiten. Mit zusammenarbeiten meine ich, dass wir meist gefährliche Missionen für sie erledigen. Wer erinnert sich nicht an den hibbeligen Anwalt Ken Rosenberg, den hitzköpfigen Ricardo Diaz oder den waffenbegeisterten Phil Cassidy? Rockstar Games ist dafür bekannt, ikonische Charaktere zu erschaffen und in „Vice City“ war das nicht anders. Doch erstmalig hatte der Protagonist eine eigene Stimme. Und diese verlieh ihm kein anderer als der mittlerweile verstorbene Schauspieler Ray Liotta. Eigentlich hätte nur noch Al Pacino gefehlt. Die Parallelen zum Film Scarface sind jedenfalls nicht von der Hand zu weisen – inklusive Kettensäge.
Abenteuerspielplatz
Wie es sich für ein „Grand Theft Auto“ gehört, bietet euch auch „Vice City“ eine offene Welt voller Missionen, Easter Eggs und Fahrzeugen. Letztere sind natürlich an die 80er Jahre angelehnt. So mit einem weißen Cheetah am Strand von Vice City entlangzufahren während im Radio „Africa“ von Toto läuft, hat seine ganz eigene Magie. Apropos: Die Musik in „Grand Theft Auto Vice City“ ist unfassbar gut. Selbst wer nicht mit der Musik der 80er aufgewachsen ist, fühlt nach dem Durchspielen unheimliche Nostalgie, wenn diese jetzt irgendwo zu hören ist. „Self Control“, „Video Killed the Radio Star“, „(I Just) Died in Your Arms“, „Billie Jean“ und noch viele mehr ikonische Soundtracks sorgen für unvergleichliche Atmosphäre.
Die Missionen im Game sind abwechslungsreich und bieten eine gelungene Balance zwischen Action und Storytelling. Klar, heutzutage fühlt sich die Steuerung im Spiel recht schwammig an. Tommy bewegt sich wie die Axt im Walde oder besser gesagt Kettensäge. Dennoch macht es Spaß, die zahlreichen Waffen auszuprobieren, mit dem Auto durch das fiktive Miami zu fahren und neue Immobilien zu kaufen. Letzteres gab es in den „GTA“-Teilen vorher noch nicht. Durch den Kauf von Häusern kann Tommy Einkommen generieren und sein Verbrecherimperium ausbauen. Besonders wichtig: Ihr erhaltet somit zusätzliche Speichermöglichkeiten. Immobilien wie Autohäuser bieten euch zudem weitere Aufgaben, die natürlich belohnt werden, wie zum Beispiel mit neuen Karren.
Dann wären da noch die ganzen Nebenmissionen, in denen ihr euch beispielsweise als Taxifahrer oder Feuerwehrmann ausprobieren könnt, um euer Geldbeutel auszubessern. Auch die 36 Monsterstunts, die in der Stadt verteilt sind, bieten Abwechslung. Viel kritisieren kann ich an „Vice City“ nicht. Schade ist natürlich, dass der Protagonist nicht schwimmen kann. Viel schlimmer war allerdings die Mission mit dem ferngesteuerten Mini-Hubschrauber, mit dem man durch eine Baustelle fliegen musste. Aber auch das ist eine Erinnerung wert.
Sommerzeit
Die Grafik in „Vice City“ ähnelt der von „GTA III“ und „GTA San Andreas“. Mit heutigen Standards kann das Game natürlich nicht mithalten, auch die remastered Version nicht (oder gerade diese Version nicht). Aber der Retro-Charme gepaart mit den Neonfarben und Palmen in Vice City schaffen eine einzigartige Atmosphäre, die ideal zur Handlung passt. Im direkten Vergleich zum Vorgänger „GTA III“ hat sich aber doch optisch etwas getan. Die Autos und Charaktere sehen detaillierter aus und die Lichteffekte funktionieren besser als zuvor. Hier und da ploppt die Spielwelt bei schnellen Fahrten erst nach und nach auf, aber das ist zu verkraften. Das bunte Bild der Stadt dank Neonlichter kommt insbesondere bei Nacht zur Geltung – da übersieht man auch gerne mal, dass ein Hochhaus in der Ferne aus dem Nichts auftaucht.
Die Kombination aus Grafik und Sound trägt im Spiel dazu bei, das fiktive Miami der 80er Jahre zum Leben zu erwecken. Das Quietschen der Reifen bei schnellen Fahrten, die abgefeuerten Waffen und dazu noch diese geniale Musikauswahl verdichten die Atmosphäre enorm. Ganz zu Schweigen von der gelungenen Synchronisation der Figuren und den filmreifen Dialogen.
Hier fühle ich mich zu Hause
Was soll ich sagen? „Grand Theft Auto Vice City“ habe ich nicht einmal, nicht zweimal, sondern gleich dutzende Male durchgespielt. Die Stadt Vice City kenne ich noch heute auswendig. Ich weiß, wo sich das Vercetti Estate, die einzelnen Heil-Tokens und die Minigun befinden. Das ganze Game ist wie ein langes „Scarface“-Spiel und die Soundtracks haben mich so sehr geprägt, dass ich ein richtiges Faible für 80er-Jahre Musik entwickelt habe. „Vice City“ ist einfach ein zeitloser Klassiker, mit einer filmreifen Handlung, ikonischen Figuren und einer Stadt, die im Gedächtnis bleibt.
Bilder: Rockstar Games
The good
- Lebendige Stadt mit eigenem Charme
- Tolle Story und über 80 Missionen
- Unfassbar gute Musikauswahl mit klasse Songs aus den 80ern
The bad
- Der Protagonist kann leider nicht schwimmen
- Gebäude in der Ferne ploppen manchmal spät auf