Vor kurzem habe ich mal wieder in meiner Game Boy-Truhe gestöbert und dabei „Golden Sun“ gefunden. Es war damals das erste Rollenspiel, das für den Game Boy Advance erschienen ist und zu der Zeit eines meiner absoluten Lieblingsspiele. Heute frage ich mich, warum das eigentlich so war und gehe dem Ganzen auf den Grund.
„Golden Sun“ – oder „Ōgon no Taiyō“, wie es im Japanischen heißt – wurde von Camelot Software Planning für den Game Boy Advance entwickelt. Es wurde 2001 in Japan und in den USA als erstes Rollenspiel für den GBA veröffentlicht. 2002 erschien der Titel auch bei uns in Europa. 2014 wurde er dann noch einmal im Rahmen der Virtual Console der Wii U im eShop veröffentlicht.
Ein Dorf in Nöten
Startet ihr das Spiel zum ersten Mal, dann beginnt sofort der Prolog. Es gibt kein Titelbild, kein Intro und auch kein Spielmenü. Früher fand ich das schrecklich, heute wäre es eine willkommene Abwechselung. Die Handlung setzt im beschaulichen Dorf Vale ein, das zu Füßen des Aleph Berges liegt. Die Dorfältesten von Vale sind verantwortlich für den Schutz des Berges und dessen Geheimnisse. Das Leben könnte so schön sein, doch eines Nachts erzürnt der Berg und es kommt zu einer Katastrophe.
In dieser sturmgepeitschten Nacht wird Isaac, der Held des Spiels, geweckt und von seiner Mutter ins Dorf geschickt, um sich in Sicherheit zu bringen. Schließlich wirft der Berg riesige Felsbrocken auf Vale. Auf dem Weg zum Dorfplatz wird Isaac Zeuge eines grausamen Unfalls. Der junge Felix kämpft im Fluss um sein Leben und kann nicht gerettet werden. Ein großer Fels stürzt auf die Helfer, tötet sie und scheinbar auch Felix. Isaac wird nach diesem Unglück von zwei Fremden niedergeschlagen und überlebt die Nacht bewusstlos.
Nach den Ereignissen macht die Geschichte einen Sprung. Das Dorf ist wieder aufgebaut worden und Isaac ist nun ein Teenager. Zusammen mit seinen Freunden Garret und Jenna und einem Alchimisten macht er sich auf, die Geheimnisse des Bergs zu ergründen. Auf dem Weg zum Berg treffen sie auf die seltsamen Fremden, die ihn damals niedergeschlagen haben. Auf der Suche nach der Wahrheit stürzen sich die Freunde in ein Abenteuer.
Auf ihrem Weg treffen sie auf zahlreiche NPCs, die sie mit Aufgaben und Ausrüstungen versorgen und die Geschichte weiter voranbringen. Wenn ihr nur streng der Hauptquest folgt und diese Aufgaben weglasst, seid ihr rund 20 Stunden beschäftigt. Wir empfehlen euch aber, alle Quests zu machen, denn ihr verpasst sonst einige interessante Dinge.
Klassisches JRPG-Gameplay
In der Oberwelt seht ihr eure Spielfigur stehts aus der isometrischen Sicht (Schräg-von-oben-Perspektive) und bewegt sie mit dem Steuerkreuz durch die Umgebung. Mit der B-Taste könnt ihr ein wenig schneller laufen. Die A-Taste nutzt ihr, um Schränke, Kisten und ähnliches zu durchsuchen oder ruft im Menü Unterpunkte auf. Kenner von JRPGs werden sich sofort zuhause fühlen.
In der Oberwelt trefft ihr auf Feinde und die Ansicht wechselt wie in „Final Fantasy“ auf eine Pseudo-3D-Ansicht. Kämpfe laufen dann rundenbasiert ab. Ihr wählt aus den Kampfbefehlen und Psynergy (Zaubermenü) einen Angriff oder eine Aktion aus und verletzt euren Gegner oder könnt auch eure Charaktere heilen oder stärken. Zusätzlich könnt ihr, wenn ihr sie besitzen solltet, mächtige Elementar-Dschinns auf eure Feinde loslassen.
Rätsel über Rätsel
Ein Feature von „Golden Sun“ sind die zahlreichen Rätsel. Hier haben sich die Entwickler einiges einfallen lassen und manche Aufgaben sind richtig schwierig. Sie heben sich auch von den klassischen Rätseln ab. Es kommt auch Psynergy zum Einsatz, um z.B. Säulen von A nach B zu verschieben.
Aber auch Umgebungsrätsel sind jede Menge dabei, sie fordern von euch ein wenig Geschick. So gibt es gerade am Anfang Labyrinthe oder Hüpfabschnitte, später folgen dann auch Rätsel, bei denen ihr den Wasserstand eines Sees verändern müsst, um so einen Weg zu öffnen.
Die vier Elemente sind von zentraler Bedeutung
In „Golden Sun“ dreht sich alles um die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Jeder der spielbaren Charaktere ist mit einem der Elemente verbunden. Auch die hilfreichen Dschinns sind an die Elemente gebunden. Wenn einer der Dschinns mit dem passenden Charakter verbunden wird, kann dieser mächtige Psynergy-Zauber nutzen. Die Dschinns haben aber auch noch einen weiteren Effekt, denn sie verbessern die Werte eures Charakters und lassen ihn sogar in eine höhere Charakter-Klasse aufsteigen. Denn, wie in Rollenspielen üblich, könnt ihr euch natürlich durch Level-Aufstiege und Ausrüstungen verbessern.
Das Dschinn-System bringt auch Taktik ins Spiel, denn wenn ihr das System beherrscht, könnt ihr Mega-Attacken kombinieren und eure Feinde sowie andere Mitspieler besiegen. „Golden Sun“ verfügt nämlich auch über einen Multiplayer-Modus. Dafür müsst ihr lediglich zwei Game Boy Advance mit je einem „Golden Sun“-Modul verbinden. Dann könnt ihr gegeneinander in einer Art Arena antreten. Natürlich ist die Arena auch im Singleplayer-Modus verfügbar, ihr tretet dann aber gegen computergesteuerte Monster an.
Zauberhafte Optik und gelungener Soundtrack
„Golden Sun“ orientiert sich dankenswerterweise am Klassen-Primus „Final Fantasy“ und das nicht nur gameplaytechnisch, sondern auch in puncto Optik. Die Charaktere und NPCs sind liebevoll animiert und die Umgebung ist für Game Boy Advance-Verhältnisse sehr detailliert. Die unterschiedlichen Umgebungen weisen auch Besonderheiten auf, wie z.B. Hitzeflimmern oder einen Sandsturm (Wüstenabschnitt). Noch etwas spektakulärer wirken aber die Kämpfe: Der Hintergrund wird skaliert und gezoomt, sodass ein Pseudo-3D-Effekt entsteht. Auch hier sind sowohl die Gegner als auch die Spielcharaktere liebevoll animiert.
Der Soundtrack rundet das Spiel noch ab. Die Soundtracks sind auf die jeweilige Umgebung und Situation genau abgestimmt. Etwas schlecht sind dagegen die spärlichen Soundeffekte, vor allem die Menü-Sounds nerven mit der Zeit ein wenig.
Gelungenes Rollenspiel mit austauschbarer Story
„Golden Sun“ war damals eines meiner absoluten Lieblingsspiele und würde heute auch noch in meinen Top Ten der Game Boy Advance-Spiele stehen. Doch habe ich beim erneuten Spielen mehrere Kritikpunkte gefunden, über die ich früher nur allzu gerne hinweggesehen habe. Da wäre zum einen die Story. Sie ist leider nicht wirklich originell und könnte durch jede andere Heldengeschichte schlichtweg ersetzt werden. An manchen Stellen wirkt die Erzählung einfach nicht schlüssig und auch nicht bis ins letzte Detail durchdacht. Auch sind die Charaktere leider recht profillos und es wird alles nur in schwarz und weiß, gut und böse unterteilt, ein Zwischending gibt es nicht. Und zu guter Letzt die Soundeffekte – sie gingen mir schon nach 30 Minuten so auf den Nerv, dass ich den Sound ausgestellt habe. Insgesamt überwiegen allerdings die Pluspunkte, sodass ich „Golden Sun“ immer wieder spielen würde und auch jedem empfehlen kann, es selbst einmal zu spielen.
The good
- Rätsel, die über das stumpfe „Gehe nach Punkt A und hole den Gegenstand, um ihn bei Punkt B einzusetzen“ hinaus gehen
- Durchdachtes Magiesystem mit tollen Kombinationsmöglichkeiten
- Toll animierte Umgebung und Charaktere
The bad
- Story ist nicht durchdacht und austauschbar
- Charaktere haben leider keine Ecken und Kanten, es gibt nur gut oder böse
- Nervige Soundeffekte, insbesondere im Menü