Wir schreiben das Jahr 1998. Vor knapp zwei Jahren ist eine der besten Konsolen von Nintendo erschienen, das N64, und mit dem Release auch „Super Mario 64“. Es ist jenes Spiel, welches Geschichte geschrieben und das bis dato strauchelnde 3D-Jump&Run-Genre im Alleingang definiert und revolutioniert hat. Viele versuchten, daran anzuknüpfen, aber viele scheiterten. Nur Rareware trat mit einem ebenbürtigen Duo in die Fußstapfen und konnte diese auch ausfüllen. Mit „Banjo-Kazooie“ gelang es dem englischen Entwickler, ein Abenteuer zu schaffen, welches sich zwar stark an der von „Super Mario 64“ etablierten Formel orientierte, sie aber an allen Ecken und Enden erweiterte.
Die Frage, ob „Banjo-Kazooie“ besser als „Super Mario 64“ ist, ist eher subjektiv und muss von jedem selbst beantwortet werden. Außer Frage steht aber, dass Rareware mit „Banjo-Kazooie“ einen Mega-Hit geschaffen hat. Die Abenteuer des Bären-Vogel-Duos sind, wie der erste 3D-Ausflug des Klempners aus Brooklyn, aus Videospiel-technischer Sicht ein Meilenstein. Denn sowohl Mario als auch Banjo und Kazooie haben einen festen Platz in den Herzen ihrer Fans. Aber was macht den Titel aus, warum wird er genauso geliebt wie „Super Mario 64“?
Rare-typische Atmosphäre trifft auf humorvolle Geschichte
Das Spiel beginnt erst einmal mit der Rareware-typischen Atmosphäre, gepaart mit einer recht simplen, aber humorvollen Geschichte. Wir schlüpfen in die Rolle des Bären Banjo und seiner gefiederten Vogelfreundin Kazooie— diese hat es sich im Rucksack von Banjo gemütlich gemacht. Zusammen mit Banjos Schwester Tooty leben wir am Fuße des idyllischen Spiral Mountains. Die Idylle wird aber schnell gestört, als die böse Hexe Gruntilda aus ihrem nahen Versteck geflogen kommt und Tooty entführt. Der Grund: Laut Aussage von Gruntys magischem Hexenkessel ist Tooty, und nicht die böse Hexe, die Schönste im ganzen Land. Grunty beschließt daraufhin, die Jugend und das Aussehen der jungen Bärin mittels einer diabolischen Maschine auf sich selbst zu übertragen und Tooty gleichzeitig in ein abscheuliches Monster zu verwandeln.
Das kann sich Banjo natürlich nicht gefallen lassen und so machen sich er und Kazooie auf, der miesen Magietante das Handwerk zu legen. Der Humor, den diese kurze Eröffnungsszene versprüht, ist wirklich einmalig und bereitet einen auch auf das vor, was im späteren Spielverlauf alles passiert. Denn wir bekommen es mit extrem viel – teils leicht absurdem – Humor zu tun: Ein rülpsender Nilpferd-Kapitän, ein Eisbär mit einem Faible für Schlittenrennen, ein riesiger, depressiver Metallwal und eine plauderfreudige, völlig verdreckte Toilette sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Mit Reimen will ich dich nerven
Die Figuren sind sich bewusst, dass sie sich in einem Spiel befinden und der sich dadurch ergebende Meta-Humor wird ebenso effizient wie gekonnt genutzt. Überhaupt bestechen die Dialoge der Charaktere nur so durch Charme und Witz. Einziger Nachteil ist, dass die Figuren nicht wirklich sprechen, sondern eher Geräusche machen, welche sich nach Sprache anhören soll.
Deswegen musste man lesen können, wenn man der Geschichte folgen will. Ein lustiges Gimmick, an das ich mich immer gerne zurückerinnere, ist, dass Gruntilda nur in Reimen mit uns gesprochen hat, die zum Teil bescheuert, aber auch recht unterhaltsam sein konnten. Egal, ob man diese Art der Gesprächsuntermalung liebt oder hasst — sie bleibt einem im Ohr und war für damalige Verhältnisse sehr unkonventionell.
Augenweide und Genuss für die Ohren
Weniger abgefahren als die Sprachausgabe, aber dennoch nicht weniger einprägsam, war der Stil des Spiels, der auch heute noch überraschend gut aussieht. Die cartoonartige Optik mit den großen und bunten Texturen versprüht ein ganz eigenes Flair, nicht zuletzt aufgrund seiner durchgeknallten Bewohner. Die Welten, die wir von der Oberwelt — Gruntys Versteck — aus erforschen, kommen thematisch sehr unterschiedlich daher und schicken uns unter anderem in eine eisige Schneelandschaft, in ein Horror-Haus, an einen sonnigen Strand, in eine staubtrockene Wüste und zu einem gewaltigen Baum, den wir zu vier verschiedenen Jahreszeiten erklimmen können. Alles in allem sind die Welten abwechslungsreich und verführen dazu, jeden Winkel entdecken zu wollen.
Untermalt werden die Welten von den Klängen des legendären Komponisten Grant Kirkhope. Jeder, der Kirkhope schon einmal vernommen hat, weiß, warum N64-Spieler bei den Worten „klingt wie ein Rareware-Spiel“ in einen Nostalgieschock fallen. Es ist schwer auf den Punkt zu bringen, was die Musik dieser Spiele ausmacht, aber man erkennt sie sofort an den Melodien und man bekommt sofort einen Ohrwurm. Wer hat nicht, wenn er an „Banjo-Kazooie“ denkt, sofort den Mumbo´s Mountain-Song im Kopf? Der Soundtrack zu „Banjo-Kazooie“ gilt als eines der größten Meisterwerke von Kirkhop. Er selbst bezeichnet es auch als seine Lieblings-Komposition und dieser Einschätzung wollen wir uns anschließen.
Jiggys zu sammeln ist nicht leicht
Durch den Fokus auf die Story und Atmosphäre unterscheidet sich „Banjo-Kazooie“ stark von Mario‘s 3D-Debüt, das sogar im direkten Vergleich recht simpel erscheint. Die Level wirken wie richtige Orte und nicht wie Phantasie-Orte, wie es bei „Super Mario 64“ der Fall ist — was aber keinesfalls schlecht ist, da beides etwas Einzigartiges an sich hat. Aber auch spielerisch legt „Banjo-Kazooie“ noch einmal eine Schippe drauf.
In den neun Leveln begeben wir uns auf die Suche nach den sogenannten Jiggys. Die Jiggys sind goldene Puzzleteile, die wir benötigen, um riesige Puzzle in der weitläufigen und ebenfalls mit Sammelobjekten vollgestopften Oberwelt zu vervollständigen und weitere Levels freizuschalten. Um diese Aufgabe zu meistern, stehen uns am Anfang nur begrenzte Move-Sets zur Verfügung. So haben wir nur einen Sprung, einen einfachen Schlag und eine Rutschattacke zur Auswahl.
Erst nach und nach können wir durch das Sammeln von Musiknoten in den Leveln neue Fähigkeiten freischalten. Dadurch lernen wir etwa, dank Kazooies bekrallten Füßen, steile Hänge hinaufzulaufen, auf speziellen Plattformen hohe Sprünge auszuführen, einen Rückwärtssalto punktgenau zu landen, mittels Stampfattacke auf den Boden zu rumsen, blaue Eier auf Feinde abzufeuern, kurzzeitig unverwundbar oder schneller zu werden und sogar uns dank Kazooies Flügeln in die Lüfte zu erheben. Um alle Aufgaben zu lösen, ist es notwendig, mit neu erlernten Moves in bereits absolvierte Welten zurückzukehren, um eure Aufgaben erledigen zu können.
Apropos Aufgaben: Es ist wirklich bemerkenswert, wie viel Abwechslung die Entwickler in die Suche nach den Jiggys gesteckt haben. Nur selten müssen sie einfach eingesammelt werden — und wenn, dann ist der Weg zu ihnen die Herausforderung oder sie entpuppen sich als ungemein gut versteckt. Wer alle 100 Puzzleteile sein Eigen nennen möchte, ist lange beschäftigt. Dasselbe gilt für die 100 Noten pro Level, also insgesamt 900 Noten. Aber immerhin bekommt man für die Mühe kurz vor dem Kampf mit Grunty eine Belohnung.
Verwandlungen bringen uns weiter
Den wahren Zauber des Spiels erlebt man aber erst, wenn man Mumbo (dem Schamanen) silberne Schädel bringt. Die Schädel sind die Bezahlung für Mumbo, damit er euch in verschiedene Tiere oder Dinge verwandelt. So nehmen wir die Gestalt einer Termite, eines Kürbisses, eines kleinen Krokodils oder einer Biene an. Alle Verwandlungen eröffnen uns neue Möglichkeiten, um alle Jiggys zu sammeln oder bestimmte Bereiche des Spiels zu betreten.
Banjo-Kazooie gehört in jede N64-Spielesammlung
Das riesige Bewegungsrepertoire, die Verwandlungsformen, die schiere Menge an sammelbaren Puzzles und Noten, die abwechslungsreichen Aufgaben, das tolle Leveldesign, die geniale Atmosphäre, der gelungene Humor und die einzigartige Musik machen „Banjo-Kazooie“ zu einem Klassiker, der unbedingt gespielt werden sollte.
Für mich ist das Abenteuer mit dem Bären und seiner grantigen Vogel-Freundin ein Stück Kindheit, denn neben „Super Mario 64“ war es eines der ersten Spiele, die ich für das N64 selbst gekauft habe und gerne noch einmal aus dem Schrank krame, wenn ich mal wieder Nostalgiefeeling brauche, um mich gut zu fühlen. Schön fand ich auch, dass „Banjo-Kazooie“ und sein Nachfolger noch mal in einer aufgebesserten Version für die Xbox 360 und Xbox One erschienen sind. Die neuere Version entschärft auch einen der wenigen Kritikpunkte der N64-Fassung, nämlich die störrische Kamera. Diese hatte zu oft nicht getan, was man wollte. Für mich kann „Banjo-Kazooie“ auf dem N64 auch 2021 überzeugen und ich beende meine Review mit einem fröhlichen „Haaaa-rrruiiii!“
The good
- Gelungener Soundtrack mit Ohrwurmfaktor
- Wunderschöne Welten mit zahlreichen Abwechslungen
- Witzige Dialoge zwischen den einzelnen Charakteren
The bad
- Zum Teil schlechte Kameraführung
- Manchmal hakelige Steuerung (Vor allem mit der Biene, sie ließ sich echt schlecht steuern)
- Zum Teil echt schwere Rätsel (wobei das schon Jammern auf höchstem Niveau wäre)